2 x 3 macht 4
Widdewiddewitt und Drei macht Neune !!
Ich mach' mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt ....
(Pippi Langstrumpf)
Wenn der Wunsch zum Vater des Gedankens wird
In wenigen Punkten sind sich Rechtsextremisten aller Schattierungen so einig wie in der Ablehnung des bestehenden bundesdeutschen Staates und seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
So spricht die NPD, zum Beispiel, gerne von einem „Schurkensystem“, das „abgewickelt“ werden müsse.
Da diese geplante „Abwicklung” der Demokratie aber bislang nicht so recht vorankommt, sind einige auf einen Lösungsweg verfallen, der eigentlich eher aus der Psychopathologie bekannt ist: die unliebsame Realität wird, wenn man sie schon nicht ändern kann, einfach verleugnet.
So behaupten diese Leute einfach, dem Grundgesetz und dem darauf gegründeten Staatswesen fehle die juristische Grundlage und es sei daher rechtlich gar nicht existent, nichtig, ungültig, illegal, nichts als eine gewaltige Lüge.
In ihrer Vorstellung existiert das Deutsche Reich seit dem Ende des 2. Weltkrieges latent weiter, sei aber mangels legitimer Regierung nicht handlungsfähig.
Da die Staatsmacht somit vakant sei, müsse man sie einfach nur ergreifen.
Regierung im Do-it-yourself-Verfahren
Mitte der 80er Jahre kam ein (nachweislich psychisch gestörter) pensionierter westberliner Eisenbahner als erster auf diese eigenwillige Idee. Er schickte kurzerhand einen selbstverfassten „Amtseid” per Einschreiben mit Rückschein an die amerikanische Stadtkommandantur und interpretierte die Empfangsbestätigung keck als Anerkennung seiner „Regierung” seitens der Alliierten.
Er fand sogar eine Handvoll Mitstreiter, denen er nicht nur klangvolle Ministertitel anzubieten hatte, sondern auch eine originelle Einnahmequelle: den Verkauf von selbstproduzierten „Reichsausweispapieren” und sonstigen „amtlichen” Dokumenten gegen klingende Münze.
Mit der Behauptung, als solchermaßen ausgewiesener „Reichsbürger” genieße man einen exterritorialen Status gegenüber der BRD und unterstehe nicht mehr der Autorität ihrer Behörden, ließen sich tatsächlich einige Verzweifelte und Naive ködern, denen man einredete, sie könnten sich damit von der Verpflichtung zum Bezahlen von Steuern und Abgaben bis hin zu Strafzetteln freikaufen.
Mit dieser Auffassung scheitern die Betroffenen zwar regelmässig vor den Gerichten, was sie aber nicht daran hindert, weiterhin mit Hilfe selbsternannter „Rechtsexperten” (deren „Ausbildung” ebenfalls eine lukrative Einnahmequelle für die Reichsideologen darstellt) die Gerichte zu terrorisieren und systematisch Ordnungswidrigkeitenverfahren u. ä. in die Länge zu ziehen, indem sie dem Gericht jede Rechtsgrundlage absprechen und auf der Feststellung ihrer „reichsdeutschen” Staatsbürgerschaft bestehen, wodurch solche Verhandlungen immer öfter zu einem surrealistischen Kasperletheater mutieren.
Da mit dieser Masche offenbar Geld zu verdienen ist, blieben persönliche Reibereien und Rivalitäten zwischen den Protagonisten nicht aus, so dass sich nach und nach konkurrierende „Reichsregierungen” sowie diverse Vereine bildeten, die aber im Prinzip alle die selbe Ideologie verbreiten.
Ihre „juristische” Argumentation ist natürlich völlig haltlos und stützt sich im Wesentlichen auf die Berufung auf einige wenige absichtsvoll verstümmelt wiedergegebene oder missverstandene juristische Texte sowie auf einige bewusste Falschbehauptungen.
Eine umfassende Darstellung und Widerlegung der „Thesen” dieser Bewegung sowie eine Vorstellung ihrer wichtigsten Vertreter findet sich auf der überaus lesenswerten Webseite
www.krr-faq.net
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Viele der Protagonisten sind wegen nachgewiesener psychischer Störungen für schuldunfähig erklärt worden, was ihnen erlaubt, ihr absurdes Spielchen umso ungenierter weiterzubetreiben.
Allerdings handelt es sich keineswegs nur um harmlose Verrückte.
Ideologisch verblendete Psychopathen oder rechtsextremistische Agitatoren?
Längst haben knallharte Neo-Nazis die Nützlichkeit dieser Argumentationsmasche zur Delegitimierung des ihnen verhassten demokratischen Staatswesens der BRD entdeckt und sich zu eigen gemacht. Sie betrachten diesen Staat als illegitimes Konstrukt der „Besatzer” ohne effektive Rechtsgrundlage und bezeichnen ihn abfällig als OFM-BRdvD (Organisierte Modalität von Fremdherrschaft Bundesrepublik des vorgeblich vereinigten Deutschland) oder aber, für diejenigen, für die so eine Bezeichnung schon zu kompliziert ist, als BRD GmbH. Von den Freunden dieser Bezeichnung wird bar jeder Sachkenntnis und Logik gerne auf die staatseigene BRD Finanzagentur GmbH verwiesen und in entwaffnender Blödheit behauptet, dies sei der Beweis, dass die BRD eine GmbH sei. Und der Personalausweis heiße deshalb Personalausweis, weil alle Bürger Personal dieser Firma seien.
Eigentlich könnte man sich lachend abwenden, wenn solche Vorstellungen allen Ernstes immer und immer wieder in Diskussionsforen vertreten werden. Dies hieße aber den knallharten rechtsextremistischen Charakter der auf diese Weise manifestierten Staatsfeindlichkeit allzusehr auf die leichte Schulter nehmen.
Wenn man die mittlerweile recht zahlreichen von Reichsideologen und Verfassungsleugnern betriebenen Internetseiten durchforstet, stößt man - neben Spinnereien wie Chemtrails-Verschwörungstheorien und der unter Nazis populären „Neuen Germanischen Medizin” des polizeilich gesuchten irren „Alternativmediziners” und Judenhassers Hamer - auch auf offenen Neonazismus und härtesten Antisemitismus im Stile Horst Mahlers.
Man gerät also unversehens aus dem Reich scheinbar harmloser Spinner in die Sphäre radikaler Politkrimineller.
Auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Personen aus dem Umfeld von Sekten wie Scientology tummelt sich im „Reichs“-Milieu, so z.B. der des öfteren im Verfassungsschutzbericht erwähnte Michael Kent.
Und diese Verbindungen sind es, die es so erschreckend erscheinen lassen, dass es auf einer Plattform wie wkw mittlerweile schon zur Normalität gehört, wenn in politischen Diskussionsgruppen behauptet wird: „Wir haben doch gar keine gültige Verfassung” etc., stets unter Berufung auf die immer gleichen Thesen der diversen „Reichsregierungen", deren Widerlegung einfach ignoriert wird. Die Bereitschaft, solche offenkundig abstrusen Positionen zu akzeptieren, scheint gerade in bildungsfernen Schichten erschreckend hoch zu sein, und ihre ständige Wiederholung bildet ein Einfallstor für die Weltanschauung von Neonazis, das von diesen auch eifrig genutzt wird.
Der Versuch, dem mit rationalen Argumenten zu begegnen scheitert daran, dass die Vertreter solcher Positionen in aller Regel intellektuell in keinster Weise in der Lage sind, diesen zu folgen, und sie deshalb einfach ignorieren und sich in sturen Wiederholungen ergehen.
Da die ideologischen Hintergründe solcher Thesen aber bei oberflächlicher Betrachtung nicht offensichtlich erscheinen, werden Beschwerden darüber von den wkw-Supportmitarbeitern regelmäßig abgewiesen mit der Begründung „Es konnte kein Verstoß festgestellt werden.”
So bieten die Thesen der Reichsideologen für Rechtsextremisten ein probates Vehikel, um ungeniert staats- und demokratiefeindliche Propaganda zu betreiben ohne behelligt zu werden, und dabei immer neue Interessenten aus der breiten Bevölkerung anzusprechen, die dann nach und nach an immer radikalere Positionen herangeführt werden, bis hin zu Schriften wie dem über Internetseiten des KRR-Milieus vertriebenen offen nationalsozialistischen und radikalantisemitischen „Reichsbrief Nr. 7“ für den bei wkw ungehindert Werbung gemacht wird.