Von Revisionisten, Verfassungsleugnern und anderen Rechtsextremisten wird immer wieder gern behauptet, Deutschland zahle noch heute Reparationen, deutsches Vermögen könne jederzeit beschlagnahmt werden, die EZB gehöre niemandem oder sie sei in Privatbesitz und ähnliches mehr.
Sinn und Zweck solcher Gerüchte und Unwahrheiten ist es, die Deutschen als ausgebeutete und ausgeplünderte bzw. auszuplündernde Opfer darzustellen und so empfänglich für rechtsextremistisches Gedankengut zu machen.
Wem gehört die EZB?
Obwohl alles, was die EZB betrifft (übrigens ebenso beim amerikanischen FED-System) einschließlich der Jahresbilanzen öffentlich zugänglich ist, tauchen immer wieder bewusst gestreute Falschinformationen über die Zentralbanken auf.
Die EZB ist die Europäische Zentralbank und damit für das Europäische Währungs- und Finanazsystem zuständig. Entgegen der weit verbreiteten Meinung beschränkt sich der Tätigkeitsbereich durchaus nicht auf das Gebiet der Euro-Währungsunion, sondern auf das Gebiet der gesamten EU.
Das Kapital der EZB beträgt € 5.760.652.402,58.
Kapitalhalter – und damit Eigentümer der EZB sind die nationalen Zentralbanken der EU-Mitglieder. Die Deutsche Bundesbank hält mit rund 18,9 % den größten Anteil. Es folgen die Bank of England und die französische Zentralbank mit ca. 14,5 % bzw. 14,2 %.
Ausgeschüttete Gewinne fließen entsprechend diesen Anteilen an die jeweiligen Kapitaleigner. Das heißt, die Bundesbank erhält 18,9 % der ausgeschütteten Gewinne.
Die Deutsche Bundesbank wiederum gehört zu 100% der Bundesrepublik Deutschland. Die Gewinne der Deutschen Bundesbank fließen direkt in den Bundeshaushalt und stellen eine nicht unwesentliche Einnahmequelle für den Bund dar.
Allein an dieser Tatsache wird schon deutlich, wie unsinnig die von manchen sogenannten Zinskritikern aufgestellte Behauptung ist, Geld werde von privaten Banken ausgegeben und der Staat könne nur Geld einnehmen, indem er Zinsen an private Banken zahle.
Eher wird umgekehrt ein Schuh draus.
Tatsächlich zahlen private Banken für das von ihnen bei der EZB oder der Deutschen Bundesbank aufgenommene Geld Zinsen an diese staatlichen Banken, die dann dem Bundeshaushalt zugute kommen.
Die Deutschland GmbH
Natürlich nimmt der Staat auch Kredite am freien Markt auf. Für die Beschaffung solcher Gelder ist die Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur GmbH in Frankfurt zuständig.
Im Grunde ist die Finanzagentur nichts anderes als eine Anlagebank. Jeder – auch Privatpersonen – kann dort z.B. ein Festgeldkonto einrichten, oder Geld z.B. in Form von Bundeschatzbriefen oder anderen Staatsanleihen anlegen.
Für die Anleger ist das eine relativ lukrative Anlageform, da die Zinsen im Vergleich zu anderen sicheren Anlagen relativ hoch sind, für den Staat ist es die Möglichkeit zu relativ niedrigen Zinsen im Vergleich zu anderen Kreditgebern an Kredite zu kommen.
Staatsanleihen sind eine wichtige Basis zum Beispiel für Altersvorsorgen, sei es in Form direkter Investitionen, über Fonds oder über Lebensversicherungen, die ihrerseits einen Großteil der eingenommenen Versicherungsprämien in Staatsanleihen anlegen, um so ihren Versicherten eine relativ rentable Altersversorgung bieten zu können.
Die Forderung nach einer zinsfreien Wirtschaft würde diesen Markt total zusammenbrechen lassen und gerade kleinen Selbstständigen und Freiberuflern die Möglichkeit einer privaten Altersversorgung, die nicht nur eine relativ hohe Sicherheit bietet, sondern auch einigermaßen lukrativ ist, rauben. Letztlich bliebe diesen dann nur noch die Spekulation mit Aktien und anderen Spekulationspapieren oder mit Immobilien.
Diese Tatsachen zeigen zwei wichtige Aspekte auf, die als Argumente gegen die „Zinskritiker“ anzusehen sind.
Zum Einen ist die Zinswirtschaft ein wichtiger Beitrag für die Vermögensbildung und Alterssicherung eines großen Teils der Bevölkerung. Zum zweiten zeigt sich daran, dass Schulden des Staates auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sind, die auf der anderen Seite eben auch Vermögen der Bevölkerung darstellen. Ohne Staatsschulden wären Altersversorgungen weit unsicherer und teurer.
Ausplünderung der BRD
Immer wieder gerne gebracht wird die Behauptung, die Bundesrepublik unterwerfe sich widerspruchslos der finanziellen Ausplünderung.
Als Beleg wird Art.3, Abs. 1 im 6. Teil des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen, des sog. Überleitungsvertrages, angeführt.
Er lautet:
Artikel 3
(1) Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen, das beschlagnahmt worden ist für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.
Diese Bestimmung wird dann so interpretiert, dass die BRD Beschlagnahmungen und Vermögensentnahmen für alle Zukunft zulasse.
Zum Einen wird dabei verschwiegen, dass schon in Art. 1 festgelegt ist, dass sich die Siegermächte verpflichten, keine Forderungen aus laufender Produktion geltend zu machen.
Zum anderen ergibt sich schon aus dem Wortlaut, dass sich der Verzicht auf Einwendungen auf das Vermögen bezieht, „das beschlagnahmt worden ist“. Also eben gerade nicht auf in Zukunft zu beschlagnahmendes Vermögen.
Betrachten wir nun aber mal das, was historisch hinter diesem Artikel steht.
Als die Alliierten Deutschland besetzten, haben sie deutsches Vermögen, insbesondere jenes der NSDAP und ihrer Organisationen beschlagnahmt. 1946 wurden auch die deutschen Auslandsguthaben und Devisenvorräte beschlagnahmt.
Dieses Vermögen wurde „ für Zwecke der Reparation oder Restitution oder auf Grund des Kriegszustandes oder auf Grund von Abkommen, die die Drei Mächte mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden.“ eingesetzt.
Und um genau dieses Vermögen ging es, als in dem am 23. Oktober 1954 unterzeichneten "Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen" (Überleitungsvertrag) der oben genannte Artikel 3 im sechsten Teil vereinbart wurde.
Diese Vereinbarung zwischen den Westmächten und der BRD sollte eben sicher stellen, dass die BRD keinen Einfluss auf die Verwendung dieses in der Vergangenheit beschlagnahmten Vermögens ausüben oder gar dessen Rückforderung geltend machen könne. Um dies auch für die weitere Zukunft auszuschließen, wurde nun auch 1990 festgelegt, dass diese Bestimmung in Kraft bleibt.
Tatsächlich hatte die Regierung Adenauer immer wieder versucht, die beschlagnahmten Vermögen zurück zu fordern. 1957, als von dem beschlagnahmten Vermögen nur noch rund 170 Millionen vorhanden waren, erklärte US-Präsident Eisenhower:
"Um der historischen amerikanischen Politik der Unantastbarkeit von Privateigentum selbst in Kriegszeiten ... Ausdruck zu verleihen, wird die Regierung einen Plan für die Rückerstattung der ... Vermögen deutscher Staatsbürger ausarbeiten"
Deutschland forderte gar, das bereits verbrauchte Vermögen wieder aufzufüllen.
Dazu kam es aber nie.
Stattdessen verabschiedete das amerikanische Parlament 1960 einen Gesetzentwurf, der bestimmte, dass aus der Vermögensmasse die amerikanischen Kriegsansprüche zu befriedigen seien. Von der Entschädigung deutscher Eigentümer war nicht mehr die Rede.
Auch die folgenden Verhandlungen, mit denen Adenauer Albert Hilger van Scherpenberg beauftragt hatte, blieben ohne Ergebnis.
Die Amerikaner hielten der deutschen Delegation den Art. 3 aus dem 6. Teil des Überleitungsvertrags unter die Nase, den Adenauer ja selbst unterschrieben hatte.
Wäre dieser Artikel im Zuge der Wiedervereinigung – wie die übrigen Bestimmungen des Überleitungsvertrages – suspendiert worden, so hätte die BRD die Möglichkeit, Forderungen aus dem beschlagnahmten Vermögen geltend zu machen.
Um dies ein für allemal auszuschließen und dieses Kapitel damit zu beenden, blieb dieser Artikel eben wirksam.
Reparationen für den ersten Weltkrieg?
Durch die Presse ging vor einiger Zeit die Meldung, Deutschland müsse noch immer Reparationen für den ersten Weltkrieg zahlen. Bis zum 3.10.2010 seien so noch 50 bis 60 Millionen (die Zahlen schwankten) fällig.
Diese Meldung wurde von Revisionisten und anderen Rechtsextremisten begeistert aufgegriffen und im Internet verbreitet, um damit die These von der Melkkuh Deutschland zu untermauern.
Was ist dran?
Tatsächlich werden bis zum 3.10.2010 rund 50 Millionen € aus Staatsanleihen fällig, die 1990 ausgegeben wurden. Zum Tag der Wiedervereinigung. Daher müsste also schon das Datum aufhorchen lassen.
Was hat nun die Wiedervereinigung mit Reparationsforderungen zu tun? Richtig: Gar nichts.
Die Wahrheit sieht anders aus.
Das Deutsche Reich hatte 1925 bis 1930 Staatsanleihen ausgegeben, um die horrenden Staatsausgaben bezahlen zu können. Zu diesen Ausgaben gehörten natürlich auch die Reparationszahlungen aus dem ersten Weltkrieg.
1932 wurde das Ende der Reparationszahlungen vereinbart. Seitdem hat Deutschland also keine Reparationsschulden mehr aus dem 1. Weltkrieg.
Offen blieben natürlich die Schulden aus den ausgegebenen Staatsanleihen.
1952/1953 wurden bei der Londoner Schuldenkonferenz die deutschen Schulden halbiert. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass die Zinsen aus diesen Schulden bis zur Wiedervereinigung gestundet würden.
Bei der Wiedervereinigung 1990 wurden dadurch also die Zinsen aus diesen längst getilgten Staatsanleihen fällig. Zur Zahlung dieser Zinsen in Höhe von rund 250 Mio € hat die BRD mit Datum zum 3.10.1990 Anleihen mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren ausgegeben. Diese letzten Anleihen werden also zum 3.10.2010 fällig.
Quelle der Tabelle: Lang/Schweizer: "Ausländer nehmen uns die Arbeitspätze weg" - Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt, Verlag an der Ruhr, Mühlheim
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