Behauptung der Verfassungsleugner:
Mit Streichung des Artikels 23 GG hat das GG seinen Geltungsbereich verloren !
Ein Gesetz ohne Geltungsbereich ist nicht rechtsgültig !
Seit 18. Juli 1990 gibt es keine BRD mehr,
Begründung der Verfassungsleugner:
Es ist hier ein Zeitfaktor zu berücksichtigen.
Die 2+4 Verhandlungen, die den Beitritt der DDR regeln sollten, fanden im Frühjahr 1990 statt.
Am 17.07.90 erklärte der ehemalige US Außenminister und damalige Verhandlungsführer der USA für die Allierten, den Art. 23 für erloschen.
Von der zeitl. Abfolge her müßte es jetzt verständlich sein, daß man zu einem, am 18.7.90 erloschenen Art. 23, der ursprünglich die Gebiete benannte, zu denen die DDR hinzutreten sollte, am 3.10.90 nicht beitreten kann.
Es gibt keine Gebiete , also kein Beitritt.
Also keine Ratifizierung der 2+4 Verträge.
Die Fakten:
Art. 23 GG a.F. lautete:
"Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen."
Dieser Artikel beschreibt also in welchen deutschen Ländern das GG zunächst gelten soll.
Nach deren Beitritt sollte das GG auch in den beitretenden Ländern gelten. Dieser Artikel wurde also auch als WIedervereinigungsgebot verstanden, als Auftrag an die deutschenn Regierungen, diesen Beitritt zu vollziehen.
Entgegen der Behauptung der Verfassungsleugner bedarf eine Verfassung keiner Beschreibung des territorialen Bereichs, in dem es gelten soll.
Es ist staats- verfassungs- und völkerrechtlich anerkannt, dass sich der Gültigkeitsbereich einer Verfassung auf das der Staatsgewalt unterstehende, durch völkerrechtlich anerkannte Grenzen definierte Staatsgebiet erstreckt.
Auch in zahlreichen anderen Verfassungen - wie z.B. der Constitution Francaise - gibt es keine Beschreibung des Geltungsbereichs.
Da auch das Wiedervereinigungsgebot dieses Artikels durch den Beitritt der Länder der ehemaligen DDR obsolet wurde, war es kein Problem, diesen Artikel zu streichen.
In der obigen Behauptung gibt es aber noch weitere Fehler.
Jeder Jura-Student im ersten Semester weiß, dass der Außenminister eines fremden Landes eine Verfassung oder auch nur einzelne Artikel selbiger nicht außer Kraft setzen kann.
Und in der Tat ist das auch hier nicht geschehen.
Richtig ist, dass insbesondere Polen die Befürchtung hatte, eine spätere deutsche Regierung könne aufgrund der Bestimmungen des Art. 23 unter Berufung hierauf Gebietsansprüche gegen Polen geltend machen. Da Polen bei den Verhandlungen selbst nicht dabei war, übernahmen die USA diese Forderungen und so wurde in den Vertragsverhandlungen vereinbart, dass sich die BRD verpflichtete, diesen Art. zu streichen.
Die Streichung war dadurch noch lange nicht erfolgt.
Mit dem Ratifizierungsgesetz zum Wiedervereinigungsvertragswerk wurden dann vom Deutschen Bundestag und vom Deutschen Bundesrat jeweils mit mehr als 2/3 - Mehrheit auch die "vereinigungsbedingten Verfassungsänderungen" beschlossen und am 23.9.1990 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. (siehe BGBl 1990 Teil II S. 885, 889 vom 23.9.1990).
Auch hier weiß jeder, dass ein Gesetz nicht vor Veröffentlichung im BGBl in Kraft treten kann.
Die Streichung des Art. 23 hätte also frühestens mit der veröffentlichung am 23.9.1990 in Kraft treten können.
Doch schauen wir uns mal die diesbezüglichen Bestimmungen im Wortlaut an:
Artikel 1 I:
"Mit dem Wirksamwerden des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes am 3. Oktober 1990 werden die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Länder der Bundesrepublik Deutschland..."
Artikel 3:
"Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland [...] in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem es bisher nicht galt, mit den sich aus Artikel 4 ergebenden Änderungen in Kraft"
Artikel 4:
"Artikel 4 Beitrittsbedingte Änderungen des Grundgesetzes
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland wird wie folgt geändert:
[...]
2. Artikel 23 wird aufgehoben."
Art. 4 dieses Gesetzes ist der einzige Artikel im gesamten Gesetz und im Vertrag, aus dem sich ein zeitlicher Anhaltspunkt für die Außerkrafttretung von Art. 23 GG a.F. ergibt.
Er spricht von einer "beitrittsbedingten Änderung". Das bedeutet, die Änderung tritt mit Eintritt dieser Bedingung in Kraft.
Und die Wirksamwerdung des Beitritts ist im Art. 1 mit dem Datum 3.10.1990 benannt. Somit traten also die GG-Änderungen und damit auch die Streichung des Art. 23 am 3.10.1990 in Kraft.
vgl hierzu z.B. auch:
Schönfelder, Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Fußnote 1 zu Art. 144 GG: "Bezieht sich auf Art 23 in der bis zum 3.10.1990 geltenden (...)
Dokumentation: "Grundgesetz erloschen"
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