Verschwörungsideologen auf der Linken Medienakademie in Berlin
"Mit fotografischer Kreativität für eine bessere Welt" - mit diesem hehren Anspruch traten die Vorstandsmitglieder des "Bundesverbandes Arbeiterfotografie" am 13.3. mit einer eigenen Veranstaltung auf der "Linken Medienakademie LIMA" in Berlin auf. Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann waren dort auch offiziell als Dozenten gelistet und dies nutzten sie, um ihre ganz spezielle Sicht der Welt zu verbreiten. Ob die freilich links ist, kann man bezweifeln.
Ein "angebliches Massaker"
Die Macher der "Arbeiterfotografie" sehen sich selbst als Aufklärer, die Medienmanipulationen aufdecken, speziell Fälschungen, die von der NATO, den USA oder Israel als Kriegsgrund genutzt wurden. Solche Manipulationen hat es tatsächlich gegeben: in Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan, im Nahostkonflikt. Gegen Recherche und Aufklärung ist nichts zu sagen, aber Fikentscher und Neumann gehen einen Schritt weiter und zeichnen ein Schwarz-Weiß-Bild: Da gibt es einerseits böse, fast allmächtige Verschwörer in den USA und Israel, die hinter allen politischen Verbrechen stecken, und andererseits gute antiimperialistische Kämpfer, die zu Unrecht einen schlechten Ruf haben. So nimmt Frau Fikentscher dann auch in ihrem Vortrag die serbischen Militärs im Bosnienkrieg in Schutz. Ein paar irreführende Bildunterschriften zu einem Video werden dann zum "Beweis", dass es das Massaker von Srebrenica 1995 gar nicht gegeben habe. Nicht 7-8000 Ermordete, wie das Kriegsverbrechertribunal glaubt, sondern allenfalls "1000-1500" Tote will Frau Fikentscher zugestehen und das ist für sie dann ein " angebliches Massaker".
mit Fotos lügen
Ein besonders dankbares Thema ist auch wieder der 11.September 2001. Mit der Einblendung von aus dem Zusammenhang gerissenen Fotos will Frau Fikentscher beweisen, dass die Gebäude nicht dem Terror zum Opfer fielen, sondern von innen gesprengt wurden. Besonders das Gebäude WTC 7 hat es ihr angetan. Dass keineswegs nur dieses Gebäude sondern auch mehrere andere in der Umgebung der Türme zerstört wurden, verschweigt sie. Und natürlich wird nur die in sich zusammensackende Vorderseite des Gebäudes gezeigt. Wer nur diese Videsequenz kennt, kann in der Tat glauben, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Sieht man freilich die zeitgleich gemachten Fotos der Rückseite, so wird klar, dass das Gebäude zu diesem Zeitpunkt bereits völlig durch Trümmerteile und Flammen zerstört ist und nur noch die Fassade zusammenbricht. Auch Bilder können lügen.*
Antiimperialist Ahmadinedschad
Einseitig ausgewählte Fotos werden auch benutzt, um ein weiteres Lieblingsthema auf den Tisch zu bringen: Die bösen "Verleumdungen" gegen den iranischen Präsidenten. Diesmal will Frau Fikentscher beweisen, dass die Opposition gegen die "Islamische Republik" aus Schah-Anhängern und von Geheimdiensten manipulierten Menschen besteht. Wer schon einmal auf einer Demonstration gegen das Folterregime der "Iranischen Republik" war, weiß es besser: Jugendliche, Linke und Demokraten machen den Großteil der Gegner Ahmadinedschads aus, Monarchisten stellen nur einen kleinen Teil der Bewegung. Das hindert die Arbeiterfotografie nicht, für den iranischen Diktator Partei zu ergreifen. Die Behauptung, dass die Studentin Neda in Wirklichkeit vom CIA erschossen wurde, die bei anderer Gelegenheit geäußert wurde, wiederholt man diesmal allerdings nicht. Das will man wohl vor dem kritischen linken Publikum der LIMA dann doch nicht risikieren.
linke Tradition
Nicht ungeschickt versuchen die Macher der Arbeiterfotografie ihre Arbeit in linke Geschichte einzubetten. Da wird an die Tradition der alten KPD-nahen "Arbeiterfotografie" in der Weimarer Republik angeknüpft. Da werden Bilder von Polizeibrutalität gegen Linke aus Genua und Dresden gezeigt. Doch zu diesen Ereignissen tragen die "Arbeiterfotografen" aus Köln kaum neues bei. Ihr Hauptschwerpunkt sind auch nicht soziale Mißstände, sondern ihre Verschwörungstheorien über die weltweiten Machenschaften von Mossad und CIA. In dieser Sicht der Welt wird dann jeder, der sich scheinbar den bösen geheimen Mächten entgegenstellt, zum Freund und Verbündeten oder Opfer des "Zionismus", selbst der verstorbene österreichische Faschist Jörg Haider. Und so erklärt sich dann auch, dass man mit Personen, die Verbindungen in rechte Kreise haben, gemeinsame Veranstaltungen abhält.
In Berlin wurde also wieder einmal ein linker Kongress benutzt, um Verbrechen zu verharmlosen, Diktatoren politisch zu rechtfertigen und letztlich rechte Verschwörungsideologie zu verbreiten. Ein Teil der Veranstalter und Teilnehmer hat das wohl auch erkannt und geht zunehmend auf Distanz zu den selbst ernannten Aufklärern. Nötig wäre freilich nicht Wegschauen und Ignorieren und auch nicht eine Ausgrenzung sondern vielmehr eine Auseinandersetzung in der Sache. Auch Fikentscher und Neumann, die immerhin eine linke Geschichte haben, verdienen es, dass man mit ihnen streitet, statt sie auszuladen. Vor allem aber kann eine kritische Diskussion über die von ihnen angerissenen Themen durchaus heilsam sein, weil auch in anderen linken Köpfen Verschwörungsideologie herumgeistert, die dort nicht hingehört.
* Weitere Fotos, Videos und ausführliche Berichte speziell auch zu WTC 7 gibt es z.B. hier.
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