Antifaschismus 2.0

Verschwörungstheorien und Faschismus im Web 2.0

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Faschismus 2.0 hat sich im letzten Jahr verstärkt

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freie_nationalisten Die Bundeszentrale für politische Bildung, das von den Bundesländern getragene jugendschutz.net und die Online-Beratung gegen Rechtsextremismus stellten am 24.08.2010 in Berlin aktuelle Zahlen über den Missbrauch des Internets durch Neonazis vor und präsentierten Gegenstrategien.
Die Recherchen und Beobachtungen der Beteiligten stellen eine Verstärkung der faschistischen Aktivitäten im Internet fest.

Mit 1.872 rechtsextremen Websites wurde ein neuer Höchststand dokumentiert. Der Zuwachs um 10 % im Vergleich zum Vorjahr (1.707 Websites) ist vor allem auf verstärkte Netzaktivitäten rechtsextremer Parteien (Zuwachs um 82 Angebote) und aus dem Neonazispektrum (Zuwachs um 60 Angebote) zurückzuführen.
Die Möglichkeiten des Web 2.0 mit seinen sozialen Netzwerken wird dabei für Nazis und ihre Organisationen immer wichtiger und stärker genutzt.
Im Juni tauchte so z.B. die neue CD der rechtsextremen Band Zillertaler Türkenjäger (Bild) sehr rasch auf Videoplattformen wie MyVideo und in sozialen Netzwerken wie MySpace auf. Das Album "Die lustigen Zillertaler - Wir lassen uns das Singen nicht verbieten" enthält rechtsextreme, teilweise jugendgefährdende Musik. Auch die NPD stellte über ihren Twitter-Account ihre neue Schulhof-CD zum Download zur Verfügung, noch bevor sie auf der Website der rechtsextremen Partei zu finden war.
Neben Clips von Neonazibands, Demonstrationsvideos und Filmen aus der Zeit des Nationalsozialismus sind immer häufiger Videos zu finden, die verschleiert rechtsextreme Propaganda verbreiten. Im Mittelpunkt stehen dabei aktuelle, in der Gesellschaft breit und kontrovers diskutierte Probleme, z.B. die Wirtschaftskrise oder der Krieg im Nahen Osten. So publizierten Neonazis im Jahresverlauf zahlreiche rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Botschaften zu angstbesetzten Themen wie Kinderarmut, Kindesmissbrauchoder oder dem  Konflikt in Afghanistan. Aber auch an Tier- und Umweltschutzfragen wurde angeknüpft.

Rechte in "wer kennt wen"

So wie dies mit Videos auf youtube zu beobachten ist, werden entsprechend auch in anderen sozialen Netzwerken - verstärkt bevorzugt in wer kennt wen (wkw) - rechte und/oder antisemitische Gruppen gegründet und entsprechende Inhalte eingestellt. wkw scheint offenbar deshalb vermehrt zum Ziel von Antisemiten und anderen Rechten zu werden, weil sie hier ungestörter agieren können als beispielsweise in den Netzwerken der vz-Gruppe. Dort gibt es nämlich  speziell ausgebildete Moderatorengruppen, die sich um derartige Inhalte kümmern und auffällige Nutzer sperren. Der vz-Betreiber arbeitet auch eng mit antifaschistischen Initiativen wie "Netz gegen Rechts" zusammen.

Ist wkw antisemitisch?

In wkw gibt es derartige vom Betreiber gesteuerte Kontrollen oder gar Kooperationen nicht. Im Gegenteil. Immer mehr häufen sich Berichte von Nutzern, dass in wkw eher israel- und judenfreundliche Postings, Nutzer und Gruppen vom wkw-Support gelöscht werden, während Antisemiten, Antizionisten und andere Rechtsextremisten ungestört ihre Propaganda und Hetze verbreiten können wie z.B. in der schon einschlägig bekannten und mehrfach bei wkw gemeldete Gruppe "Deutsche und ihre Rechte", in der unverblümt für die REPs Werbung gemacht wird.
Auch in anderen einschlägigen Gruppen von mehrfach an wkw gemeldeten Usern Original-Beiträge beispielsweise von Altermedia eingestellt oder offen Werbung z.B. für die REPs gemacht. (siehe Screenshot)
Andererseits wurde dieser Tage einer Antifaschistischen Gruppe die Löschung angedroht, nachdem in dieser Gruppe ein Text einer israelischen Nutzerin, den diese von einer proisraelischen Website kopiert hatte von wkw gelöscht worden war. Eine Stellungnahme hierzu ist von wkw nicht zu erhalten. Auch dieser Artikel war der Geschäftsführung bereits vor der Veröffentlichung mit der Bitte um Stellungnahme zugesandt worden.
In diesen sozialen Netzwerken im WEB 2.0 wird auch massiv für  Aufmärsche und Aktivitäten der Naziszene mobilisiert. Anti-Faschismus 2.0 gelang es vor einigen Monaten in Zusammenarbeit mit südbadischen Antifaschhisten eine Gruppe Freier Kameradschaften aus Südbaden in wkw auffliegen zu lassen und deren Identitäten festzustellen.
Leicht wird die Gefährlichkeit und die Breitenwirkung solcher Aktivitäten in Sozialen Netzwerken und im übrigen WEB 2.0 verkannt.

Mobilisierung für Nazi-Events und Nazi-Kommerz

Im Web 2.0 wurden 2009 außerhalb der Social Networks 44 eigenständige Webangebote zu Events und Kampagnen der rechtsextremistischen Szene dokumenntiert.. Im Vorjahr waren es sogar 47.
Gestiegen ist die Zahl von Angeboten der Freien Kameradschaften von 321 auf 336. Die Angebote werden verstärkt modernisiert und jugendaffiner gestaltet.
Musik und Videos stehen im Mittelpunkt, um Jugendliche gezielt zu ködern.
Auch derr Handel mit Nazi-Devotionalien hat zugenommen. Während in 2008 noch 170 Anbieter gezählt wurden, waren es 2009 bereits 177.

Meldung rechtsextremistischer Inhalte an Jugendschutz.net

Die Meldung rechtsextremistischer Websites und Inhalte an jugendschutz.net bringt häufig Erfolg. So wurden auch mehrere von Anti-Faschismus 2.0 gemeldete Sites aus dem Web entfernt. Insgesamt wurden von 116 eingeleiteten Maßnahmen 110 deutsche Sites gelöscht. Bei ausländischen Sites wurden 234 mal Maßnahmen eingeleitet mit der Folge, dass immerhin 173 Sites gelöscht werden konnten.
In den meisten Fällen führte die Kontaktaufnahme mit dem Provider der rechtsextremistischen Sites zum Erfolg.
Bei den Social-Networkbetreibern gibt es offensichtlich gegenläufige Tendenzen. Während die vz-Gruppe sehr eng mit antifaschistischen Initiativen zusammenarbeitet, verschließt wkw nach wie vor die Augen vor diesem Problem. Offensichtlich wird wkw aufgrund der klaren antifaschistischen Politik der vz-gruppe mehr und mehr zum faschistischen und antisemitischen Refugium. Hier hat sich in der offiziellen Handlungsweise der RTL-Tochter seit unserem letzten Bericht vor ca. einem Jahr nicht viel verändert. Auch diesen Artikel hattten wir vorab der wkw-Geschäftsführung zur Kenntnis gebracht. Eine Stellungnahme haben wir nicht erhalten.
Hier sind eindeutig effektivere Maßnahmen erforderlich.

Faschismus 2.0 wirksamer begegnen

Obwohl einige Erfolge unübersehbar sind, steigt das Angebot rechtsextremistischer Inhalte weiter an.
In den Social Networks verlagern sich die Aktivitäten. Nazis, die aus den Foren studi-vz oder schüler-vz vertrieben wurden, tauchen bei wkw auf, wo sie ungestörter agieren können.
In wkw selbst konnten wir die Löschung verschiedener rechtsextremistischer Gruppen und von Mitgliedern, die rechtsextremistische Inhalte verbreiteten, erreichen. Gleichzeitig konnten wir erreichen, dass Admins rechter Gruppen, ihre Mitglieder unter Hinweis auf unsere Aktivitäten aufforderten in ihren Äußerungen vorsichtiger zu werden. In einigen Fällen hat das zu massivem Rückgang der Aktivitäten in diesen Gruppen geführt.
Andere rechte Gruppen haben sich aus Furcht vor unserer Beobachtung so stark abgeschottet, dass eine Öffentlichkeitswirkung nicht mehr gegeben ist.
Zahlreiche Rechte zogen sich in solche geschlossene Gruppen zurück.

Mit Anzeigen und Diffamierungen gegen Antifaschisten ( vgl. auch hier )

Diese Entwicklung sehen wir freilich eher zwiespältig. Einerseits werden so Außenstehende mit den rechten Inhalten dieser Nutzer nicht mehr konnfrontiert und sie verlieren ihre Werbewirksamkeit. Andererseits allerdings ist es ihnen in einigen Fällen in derart abgeschotteten Gruppen gelungen, teilweise auch unter Ausschluss unserer Beobachter, Aktionen und Maßnahmen gegen Antifaschisten zu planen und dann auch durchzuführen.
So wurden gezielte Diffamierungs- und Denunziationskampagnen gegen profilierte antifaschistische wkw-User durchgeführt, die im Ergebnis freilich erfolglos blieben. In einer von uns unbemerkt beobachteten geschlossenen Gruppe wurde diskutiert, wie man am besten Mitglieder dieser Redaktion diffamieren könne, indem man das Gerücht verbreitet, zwei der Redaktionsmitglieder hätten sich in "der Klapse" kennen gelernt. In einem anderen Fall wurde das Gerücht verbreitet, ein Mitglied dieser Redaktion habe einer Familie "das Finanzamt auf den Hals gehetzt". Weiter wurde eine Reihe von Gruppen mit annähernd gleichem Mitgliederstamm gegründet, die eindeutig gegen Anti - Faschismus 2.0 und deren Mitglieder gerichtet sind. Aufrufe, man möge Material über unsere Redaktionsmitglieder sammeln um damit gegen diese Vorgehen zu können wurden ebenfalls in wkw verbreitet. Fakes mit Namen wie "Schniedel woods" verbreiten Beschimpfungen und Diffamierungen in wkw.
Die Beispiele zeigen, dass diese Leute auch vor den übelsten Diffamierungen und Verleumdungen nicht zurückschrecken und zu Aktionen gegen Antifaschisten auch im "realen Leben" bereit sind, bis hin zu konstruierten Strafanzeigen und Morddrohungen.

Angriffe gegen und Diffamierungen von Juden in wkw

Die massiv gestiegenen Angriffe gegen Israelis und Juden in wkw, ihre Denunziation durch Antisemiten bei wkw und die Löschung von Texten durch wkw gibt in letzter Zeit verstärkt zur Sorge Anlass. Anti - Faschismus 2.0 prüft und dokumentiert derzeit konkrete Einzelfälle, in denen wkw offensichtlich gezielt gegen Juden  und pro-israelische Nutzer vorgegangen ist. Teilweise wurden israelische Nutzer gelöscht, die mehrere Tage lang gar nichts geschrieben hatten oder gerade erstmal wenige Stunden Mitglied in wkw waren.
In einem weiteren Fall wurde der Text einer israelischen Nutzerin in der Gruppe "Anti - Faschismus 2.0" gelöscht, obwohl dieser eindeutig keinerlei Anlass zu Beanstandungen geben kann. Gleichzeitig wurde uns vom wkw - Support die Löschung dieser Gruppe angedroht. Inzwischen ist das Profil dieser Frau vom wkw-Support komplett gelöscht. Andererseits können Nazis ungestört in ihren Gruppen Werbung machen und antisemitische Hetze verbreiten. So gibt es beispielsweise auch eine Gruppe, die für die Zeitung der Neue Rechte "Junge Freiheit" wirbt. (siehe Screenshot)
Jugenschutz.net schreibt:
Die aktuellen Entwicklungen machen eine mehrdimensionale Gegenstrategie nötig: Betreiber von Plattformen müssen nachhaltigere technische und redaktionelle Maßnahmen ergreifen, um dem Missbrauch ihrer Angebote durch Neonazis wirksam und länderübergreifend zu begegnen. Die Netzgemeinde ist aufgerufen, Rassismus und Diskriminierung nicht unwidersprochen zu lassen, sondern Hass im Internet konsequent die Rote Karte zu zeigen. Kinder und
Jugendliche müssen präventiv über rechtsextreme Beeinflussungsversuche im Netz aufgeklärt und für die kritische Auseinandersetzung mit Hassinhalten gestärkt werden.
Dieser Forderung schließen wir uns an.
Wir werden faschistische Aktivitäten in wkw auch weiterhin beobachten und vertärkt außerhalb von wkw darüber berichten, da die wkw-Betreiber ganz offensichtlich an einer Verminderung der faschistischen Aktivitäten auf ihrer Plattform nicht interessiert sind.
Nachtrag  (3.9.2010):
Wir freuen uns, dass wkw zwischenzeitlich auf unsere Mitteilung geantwortet hat. Wir werden diese Antwort bei unseren nächsten beiden Redaktionskonferenzen besprechen und das weitere Vorgehen beschließen.
Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 15. September 2010 um 16:16 Uhr

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