Von Nils Gerster
Rechtsextreme Szenegänger nutzen verstärkt soziale Netzwerke im Internet, um sich mit Gleichgesinnten über „Freundeslisten“, Foren bzw. Gruppen bei Facebook oder Wer-kennt-wen zusammenzuschließen, auszutauschen und Agit-Propaganda zu betreiben. Dabei machen sie oftmals keinen Hehl aus ihrem Weltbild – ob nun Hakenkreuze oder das Symbol der „Schwarzen Sonne“ als Profilbild verwendet werden, ob Foreneinträge, die, mit teils Menschen verachtenden Hassbotschaften, teils mit subtilen und antisemitisch geleiteten Bedrohungsszenarien einer Weltverschwörung aufwarten, oder ob einschlägig behaftete Profilnamen: Die Botschaft hinter dieser Präsenz ist, dass Neonazis längst um die Nutzungsmöglichkeiten und Vorzüge dieses jungen Mediums wissen.
Auf eine große Anhängerschaft einer der bekanntesten Rechtsrockmusiker im deutschsprachigen Raum, Michael Regener, deuten zahlreiche „Lunikoff“-Profile auf Facebook hin. So nutzen diese User diesen Nickname des Sängers als Teil ihres Profilnamens, um ihre Sympathien zu demonstrieren.
Regener gilt in der deutschsprachigen Neonazi-Musikszene als zugkräftiges Pferd, dessen Tonträger sich gut verkaufen. 1992 gründete er mit weiteren Musikern die Band „Landser“, mit der er zwischen 1995 und 2000 drei CDs veröffentlichte. Mit Liedern wie „Schlagt sie tot“ oder „Hurra das Asylantenheim brennt“ fanden sie entsprechenden Anklang im rechtsextremen Milieu. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sich Täter im Vorfeld von Angriffen auf Migranten immer wieder durch Musik und Texte von „Lander“ haben aufhetzen lassen, wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, in dessen Folge die Bandmitglieder verhaftet und schließlich wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden, wobei Regener als einziges Mitglied aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft eine Gefängnisstrafe von 3 Jahren und vier Monaten erhielt. Bereits im Frühjahr 2004, gut ein Jahr vor Haftantritt, erschien die Debüt-CD seiner neuen Combo „Die Lunikoff Verschwörung“, ehe er kurz nach einem Abschiedskonzert im April 2005 einen weiteren Longplayer nachlegte. Seit seiner Entlassung aus der Haft im Februar 2008 veröffentlichte er mit dieser Formation weitere Tonträger. In der Szene gilt er als „Kult“, denn er stellt sich textlich selbst in den Mittelpunkt seiner Lieder, entgegen den sonst eher üblichen Songs anderer Rechtsrockbands, die sich stark an den programmatischen Leitlinien der rechtsextremen Szene orientieren.
Die Facebook-Profile, die sich mit seinem Nickname schmücken, kommen nicht ausschließlich aus dem deutschsprachigen Raum, denn Sympathien für Regener gibt es offensichtlich auch von Usern aus Osteuropa und Südamerika. Dies wird sowohl an den jeweiligen Profilangaben als auch in einigen Beiträgen seiner „Fans“ deutlich. Doch geben die meisten dieser Facebookmitglieder wenig in ihren Profilen preis, und so finden sich nur selten Auskünfte über Herkunft, Freundeslisten und sonstige Interessen. Anstatt eines aussagekräftigen Profilbildes verwendet der überwiegende Teil den netzwerkeigenen Platzhalter. Interessant zu beobachten ist, wie sich einige dieser Wortergreifer ausgerechnet ein mehrere hunderttausend Mitglieder starkes Forum auf Facebook ausgesucht haben, das sich die Forderung nach der Löschung des zentralen NPD-Forum-Accounts zum Ziel gemacht hat, um ihre düsteren Botschaften zu verbreiten. So schreiben sie eindeutige Beiträge, die zuvor mittels eines Internet-Sprachprogramms in geradezu radebrechendes Deutsch übersetzt wurden, so zum Beispiel (Fehler wie im Original):
„IDIOTEN STOPPEN!
ES LEBE DER NPD!
FREI SOZIAL UND NATIONAL! (...)“
sowie
„(...)STOP LINKE, DU IDIOT,
WIR FRESSEN NICHT MEHR IHREN DRECK
WIR GLAUBEN NICHT MEHR IHRE LUGEN, (...)“
Und ein weiteres „Lunikoff“-Profil schreibt in einer persönlichen Nachricht auf Facebook auf Anfrage eines Users über seine Beweggründe zu vorherigen Beiträgen (ebenfalls Fehler wie im Original):
„Der Holocaust nicht 6 Millionen Juden starben. Es war eine Erfindung der amerikanischen Juden. Heute sehen wir die Folgen. Der Jude in der Rolle des Opfers, der Hass des Nationalismus. Sie kontrollieren alle Medien!
Universal, Fox, BBC, alle jüdische Medien, in denen Zensur ist offizieller.
Möchten Sie nicht bewusst geworden, dass sie Geld gestohlen zu ihrem Land?
Die Juden sind das Leben Tausend unschuldiger Menschen in Palästina.
Sagen Sie „Stop Israel“ ist verboten. Sagen: „Ich glaube nicht, dass die 6 Millionen“ ist auch verboten!
Die Analyse des Holocaust ist verboten.
Die Wahrheit ist, keine Angst, Analyse, liegen doch!“
Der erste Beitrag zeigt deutlich, wie sich diese Facebook-Mitglieder mitunter zur NPD als Bezugsgröße des parteimäßig organisierten Rechtsextremismus bekennen. Ob sie sich jedoch tatsächlich mit den programmatischen Inhalten der Partei auskennen geht nicht aus diesen Beiträgen hervor. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Regener selbst seit 2004 Mitglied der NPD ist und sich wohl daher die Verbindung zwischen der Fürsprache des Users zu der Partei und seiner Anhängerschaft zu dem Rechtsrocksänger ergibt. Zudem wird in diesem Beitrag deutlich, was der User vom ausgemachten politischen Gegner hält, wenn er „Linke“ als „Idioten“ bezeichnet.
Der zweite Beitrag belegt, wie ungeniert sich ein weiterer „Lunikoff“-Jünger in seiner geschichtsrevisionistischen Haltung der Holcaustrelativierung und -Leugnung nach außen darzustellen vermag. Des Weiteren weist er eindeutig auf den Verschwörungsglauben einer Zentralsteuerungsthese durch „die Juden“ und deren angeblich manipulativem Charakter hin.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die „Lunikoff“-Profile Identifikationssymbole der Anhänger Michael Regeners darstellen. Sie zeigen ein klares Bekenntnis zu der politischen Ausrichtung des Sängers, und zudem wird deutlich, welchen Status er in der Szene für rechtsrockaffine Neonazis hat – weit über den deutschsprachigen Raum hinaus. Sie treten in ihren Wortbeiträgen aggressiv auf und legen es auf offene Konfrontation mit dem ausgemachten politischen Gegner an. So offensiv sie sich dabei verbal durch Foren bei Facebook bewegen, so wenig Interesse haben sie daran, Informationen über sie frei zugänglich für andere Nutzer zu machen.
Weiteres zum Thema „Lunikoff“:
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Langebach, Martin/Raabe, Jan: „Zwischen Freizeit, Politik und Partei: RechtsRock“, Kapitel 3.4: „Popstar“: Die Lunikoff-Verschwörung. S. 171-174, in: Braun, Stephan/Geisler, Alexander/Gerster, Martin (Hrsg.): „Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009.
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/lexikontext/michael-regener-lunikoff
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eigene Materialsammlung von Screenshots aus facebook
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