Die Aktionswoche "Soziale Netzwerke gegen Nazis" geht heute zu Ende und man kann ohne Übertreibung sagen, dass sie ein voller Erfolg war.
Allein in wer kennt wen (wkw) sind bis Heute Nachmittag über 181.000 Mitglieder der Gruppe beigetreten.
Im Gespräch mit Bernd Merling erläutert Simone Rafael Einzelheiten zu der Aktionswoche, zu dem Projekt und wie es weiter gehen soll.
Bernd Merling:
Die Antonio Amadeu Stiftung (www.netz-gegen-nazis.de) hat eine Initiative Soziale Netzwerke gegen Nazis initiiert. Was waren die Gründe für diese Aktion?
Simone Rafael
: Ich mache als Journalistin das Internetportal netz-gegen-nazis.de. Für das bin ich auch in sozialen Netzwerken aktiv - und habe dort beobachtet, wie sich Nazis dort vermehrt ausbreiten, nicht-rechte Userinnen und User belästigen oder gar bedrohen. Das spiegelte sich auch in Leser- und Leserinnen-Zuschriften. Die User fühlten sich oft hilflos und von den Netzwerken alleingelassen. Also fragte ich bei den Netzwerken nach. Diese hatten fast alle ein waches Bewusstsein für das Problem, kämpften aber mit den Datenmengen, die ihre Userinnen und User einstellten - und waren zum Teil auch unsicher über den Umgang in den Grenzbereichen der Thematik. Also dachte ich: Da muss man etwas tun. Zuerst die Betreiber dazu bringen, ihren Userinnen und Usern einmal laut und deutlich zu sagen: Wir wollen hier keine Nazis und sind auf eurer Seite, wenn ihr sie meldet! In einem zweiten Schritt gilt es dann, neue Möglichkeiten des Umgangs mit Neonazis im Web 2.0 zu überlegen.
B.M.:
Welche Ziele werden mit dieser Aktion verfolgt?
S.R.:
Durch die Positionierung der Betreiber werden nicht-rechte User bestärkt und Rechtsaußen-Nutzern klargemacht, dass sie nicht erwünscht sind. Das ist wichtig, weil es die demokratischen Stimmen ermutigt und denjenigen, die sich selbst durch ihre Ideologie aus dem demokratischen Spektrum ausgrenzen, eine klare Grenze zeigt. Eine konzentrierte Aktionswoche sorgt auch für entsprechende mediale Aufmerksamkeit für die Gefahr des Rechtsextremismus. Auch das ist Aufgabe der Aufklärungsarbeit, die ich für die Amadeu Antonio Stiftung mache.
Längerfristig soll sie Betreiber und Usern Mut machen, über neue, kreative Wege im Umgang mit Rechtsextremismus 2.0 nachzudenken - da sind wir nämlich noch am Anfang.
B.M.:
Das größte in Deutschland vertretene Netzwerk, Facebook, ist bei dieser Initiative nicht dabei. Wurden die nicht eingeladen?
S.R.:
Doch, ich hätte Facebook gern dabei gehabt - weil es groß ist, an Wichtigkeit gewinnt, aber die daraus resultierende gesellschaftliche Verantwortung bisher so gar nicht wahrnimmt. Allerdings scheiterte der Versuch nicht am Thema, sondern vielmehr an logistischen Problemen: Bisher gibt es bei Facebook einen Ansprechpartner für Firmenpolitik-Fragen in ganz Europa. Und der sah sich offenbar nicht in der Lage, die Teilnahme umzusetzen. Obwohl ich bis zwei Wochen vor Aktionswochenstart signalisiert bekam, Facebook würde vielleicht doch noch dabei sein. Ein Unternehmenssprecher kommentierte nun im "Handelsblatt": Man sei in Europa noch im Aufbau, werde sich aber in Zukunft gern an Aktionen wie dieser beteiligen. Wir werden sehen.
B.M.:
Unser Projekt Anti - Faschismus 2.0 ist ja aus dem Netzwerk wer kennt wen (wkw) heraus entstanden, weil uns dort die starke Präsenz des offenen und versteckten Faschismus aufgefallen ist. Wie hat wkw auf eure Einladung reagiert?
S.R.:
wkw hat als eines der ersten Netzwerke zugesagt, als wir im April zu einem ersten Gespräch in die Amadeu Antonio Stiftung eingeladen haben, um über mögliche Strategien und Aktionen zu sprechen. Sie haben ein Bewusstsein für das Problem und sind an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert, was ich sehr positiv finde. Wie alle sozialen Netzwerke sind sie aber ohne Zweifel auf die Hilfe ihrer Userinnen und User angewiesen - und es gibt sicher auch hier noch einiges, was man verbessern kann, z.B. das Team ausbauen, dass sich um Rechtsextremismus bei wkw kümmert. Immerhin gibt es hier aber ein Team mit diesem Schwerpunkt, das ist nicht in allen Netzwerken so.
B.M.:
Innerhalb von drei Tagen war die Mitgliederzahl der Gruppe in wkw auf 70.000 angestiegen. Hattet ihr mit einem solch großen Erfolg gerechnet?
S.R.:
Man hofft ja immer, aber rechnen kann man mit großen Erfolg kaum: Sowohl das enorme Presseecho als auch die großen Beteiligungszahlen insbesonderes bei wkw und Jappy hat mich sowohl verblüfft als auch gefreut. Ich hoffe, dass das bei den Betreibern auch so ankommt, wie es die Userinnen und User meinen: Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus ist für uns ein gravierendes Problem - kümmert Euch darum!
B.M.:
Die Initiative ist auf eine Woche begrenzt. Ist dieser Zeitraum für eine so große Aufgabe nicht viel zu kurz?
S.R.:
Aufgabe einer Aktionswoche kann nur "Awareness Raising" sein: Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken, es Menschen ins Bewusstsein bringen. Das hat meiner Meinung nach hervorragend funktioniert. Über Rassismus, Antisemitismus, Neonazismus in sozialen Netzwerken (und im Leben) aufzuklären, Methoden zu entwickeln, um Unbedarfte zu schützen und Unentschlossene argumentativ von der Demokratie zu überzeugen, ist dagegen eine lebensbegleitende Aufgabe, die nie zu Ende gehen wird. Demokratie muss im Alltag mit Leben gefüllt werden - hier muss auch um sie gestritten werden. Ich sehe aber die Möglichkeit zu Fortschritten. Deshalb machen wir das. Wenn wir durch die Aktionswoche tausenden Menschen klar machen konnten, dass sie (auch im Internet) gebraucht werden, damit es kein formaldemokratischer, sondern auch ein wirklich demokratischer Raum ist, in dem Menschenrechte zählen, haben wir viel gewonnen.
B.M.:
Wie geht es nach dem 17.10. mit dem Thema weiter?
S.R.:
Netz-gegen-Nazis.de wird natürlich weiter berichten und aufklären. Wir bilden mit interessierten Netzwerkbetreibern eine Arbeitsgruppe, um neue Methoden im Umgang mit Neonazis, Rassisten und Antisemiten in sozialen Netzwerken zu erarbeiten. Ich habe während der Aktionswoche Kontakte zu vielen spannenden Menschen bekommen, die am Thema arbeiten wollen - ich hoffe, dass wir gemeinsam auf immer neue Ideen kommen, wie wir für demokratische Kultur und Werte begeistern können. Das Internet bietet fantastische Möglichkeiten für wichtige Themen, viele Menschen relativ unkompliziert zu erreichen. Das müssen wir einfach für die Arbeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausnutzen.
B.M.:
Gibt es Ideen für eine Vernetzung von Aktiven in sozialen Netzwerken, bei anderen Initiativen gegen Faschismus im Netz und der Antonio- Amadeu-Stiftung?
S.R.:
Erst einmal nehme ich die Kontaktanfragen entgegen. Ich würde mir sehr wünschen, dass daraus sowohl online, z.B. über Mailinglisten oder Diskussionforen, als auch Offline, z.B. mit Treffen oder einer Tagung, Möglichkeiten zum Austausch und Ideen-Spinnen ergeben. Wir überlegen aktuell, wie das praktisch zu ermöglichen ist. Unsere Arbeit ist spendenfinanziert, das heißt, wir müssen von Jahr zu Jahr sehen, dass es uns noch gibt, und das bestimmt auch ein bisschen die Möglichkeiten, was wir tun können - bis zu einem gewissen Grad lassen sich Dinge ehrenamtlich stemmen, aber nicht komplett. Ich hoffe aber das Beste - wir haben ja gerade durch die Beteiligung an der Aktionswoche eine eindrucksvolle Demonstration erhalten, wie vielen das Thema am Herzen liegt - und an den zahlreichen hasserfüllten Reaktionen von rechtsaußen auch, wie viel noch zu tun ist.
B.M.: Vielen Dank für das Interview, für die bisherige sehr gute Zusammenarbeit und auf eine erfolgreiche weitere Zusammenarbeit.
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In wkw wird das bewährte Admin-Team, das aus engagierten wkw-Mitgliedern besteht, die sich schon seit längerem mit nazis in wkw beschäftigen und in dem auch drei Mitglieder der Anti - Faschismus 2.0 - Redaktion vertreten sind, die Gruppe weiter betreuen und weiter ausbauen.
Anti - Faschismus 2.0 wird diese Arbeit wohlwollend begleiten und regelmäßig - auch über die Entwicklung in den Netzwerken speziell in wkw berichten.
Die Gruppe ist für wkw-Mitglieder hier zu finden.
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