Offener Brief
Neonazis in Frankfurt: Schmierereien, Übergriffe, schwarze Listen
Seit Monaten treibt eine Gruppe organisierter Neonazis der "Nationalen Sozialisten Rhein-Main" in Frankfurt ihr Unwesen. Nachdem sie zunächst mit rechtradikalen Aufklebern in Seckbach und Bergen-Enkheim und Nazi-Schmierereien im Nordend auf sich aufmerksam machten, folgten bald die ersten Übergriffe in Bornheim: AntifaschistInnen wurden angegriffen, ein schwarzes Mädchen mit einem Messer bedroht.
Darüber hinaus versuchen die Neonazis immer wieder, vermeintliche AntifaschistInnen zu fotografieren. Offensichtlich mit System: Ein Mitglied der Nazitruppe, so geht aus einer Pressemitteilung der Antifa hervor, gab im Juli 2011 der Polizei gegenüber an, dass begonnen wurde, Listen mit Fotos, Namen und Adressen von vermeintlichen AntifaschistInnen anzulegen. Seit Juli weiß die Frankfurter Polizei davon und hat weder die Betroffenen noch die Öffentlichkeit informiert.
Werden Neonazis in Ruhe gelassen, nehmen ihre Angriffe zu. Damit sie ihre menschenverachtende Ideologie nicht weiter in die Tat umsetzen können, muss ihnen entgegen getreten werden. Das vielfach gehörte Argument gegen antifaschistische Gegenwehr, diese führe zu einer "Gewaltspirale", ist falsch und wurde in der jüngsten Vergangenheit immer wieder widerlegt, zum Beispiel jüngst in Dresden.
Antifaschismus in notwendig und muss Neonazis am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft und in der Öffentlichkeit immer wieder aus der Deckung holen. Nur so können sich Menschen vor ihnen schützen, nur so können sie ihnen zeigen, dass sie mit ihnen nichts zu tun haben wollen; und nur so werden Neonazis in ihrem Handeln eingeschränkt. Die Geschichte zeigt: Wer Neonazis Rückzugsräume lässt, lässt ihnen Raum, ihre nächsten Gewalttaten zu planen.
Hetze gegen GriechInnen in der BILD-Zeitung und der FDP, anti-muslimischer Rassismus bei Thilo Sarrazin und den Frankfurter "Freien Wählern" - Neonazis fallen nicht vom Himmel. Ihre Ideologie der Ungleichheit wurzelt in der Mitte der Gesellschaft. Aktiver Antifaschismus richtet sich auch dagegen. Er ist nicht Teil einer imaginären "Gewaltspirale", sondern die Bedingung dafür, dass sich alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer sexuellen Ausrichtung, am demokratischen Meinungsbildungsprozess beteiligen können.
Wir, die UnterzeichnerInnen, fordern:
Eine umfassende Information der Öffentlichkeit über die Nazi-Aktivitäten in Frankfurt!
Keine Entpolitisierung rechtsradikaler Übergriffe - gegen die Gleichsetzung von Rechts und Links!
Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren!
Was der inzwischen leider verstorbene Bernd Merling vor einiger Zeit erstmals als "Faschismus 2.0" bezeichnete, ist nun leider beängstigende Wirklichkeit geworden. Das von "Antifaschismus 2.0" erforschte Gemisch aus Verschwörungstheorien, Gewaltphantasien, Geschichtsrevisionismen, rassistischen, sexistischen und neofaschistischen Theorien nahm auf grausame Weise Gestalt an.
Etwa fünfzig Demonstranten, darunter Vertreter von Bündnis90/Die Grünen und DIE LINKE, machten vor dem Kongresskomplex deutlich, dass sie die rassistischen und auf Biologismus beruhenden sowie Menschen abwertenden Thesen des SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin zur Integration von Einwanderern nicht dulden werden. Mit Plakaten und Flyern informierten sie Passanten über die Hintergründe der Veranstaltung und verwiesen friedlich, aber lautstark darauf, dass sie die Verquickung einer lokalen Wirtschaftslobbyisten-Vereinigung mit Sarrazin für einen handfesten Skandal halten.
Am Einlass tummelte sich auch eine versprengte Abordnung der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ mit einem Werbebanner. Die mitgebrachten Informationsschriften der Islamgegner fanden jedoch kaum Abnehmer und wurden von den Kritikern der Veranstaltung auf dem umliegenden Gelände „entsorgt“. Ein Vertreter der vom Berliner Ex-CDU-Abgeordneten René Stadtkewitz gegründeten Partei ließ jedoch keine Zweifel an seiner politischen Herkunft kommen, als er den Demonstranten ein Plakat mit der Aufschrift “AntiFanten=manipulierte Kinder“ entgegen hielt („Antifant“ ist ein in rechtsextremen Kreisen weit verbreiteter spotthafter und verächtlichlicher Ausdruck für Menschen, die sich antifaschistisch organisieren und argumentieren). Die Gäste des Werbeauftritts von Deutschlands derzeit umstrittensten Buchautoren, wohl mehrheitlich mittelständische Unternehmer aus der Kurpfalz, sorgten derweil durch ihre seltsam anmutende Uniformierung – die Männer in Anzügen, die Frauen overdressed und in Ballkostümierung – für unfreiwillige Komik.
Bereits im Vorfeld hatte es öffentliche Unmutsbekundungen aus der Lokalpolitik bezüglich der Veranstaltung gegeben. So ließ der etwa Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz verlautbaren, die erneute Präsentation von Sarrazins Thesen sie nicht notwendig, da sie wissenschaftlich nicht haltbar seien und zu einer Spaltung der Gesellschaft führten.
]]>
]]>
Von Nils Gerster
Rechtsextreme Szenegänger nutzen verstärkt soziale Netzwerke im Internet, um sich mit Gleichgesinnten über „Freundeslisten“, Foren bzw. Gruppen bei Facebook oder Wer-kennt-wen zusammenzuschließen, auszutauschen und Agit-Propaganda zu betreiben. Dabei machen sie oftmals keinen Hehl aus ihrem Weltbild – ob nun Hakenkreuze oder das Symbol der „Schwarzen Sonne“ als Profilbild verwendet werden, ob Foreneinträge, die, mit teils Menschen verachtenden Hassbotschaften, teils mit subtilen und antisemitisch geleiteten Bedrohungsszenarien einer Weltverschwörung aufwarten, oder ob einschlägig behaftete Profilnamen: Die Botschaft hinter dieser Präsenz ist, dass Neonazis längst um die Nutzungsmöglichkeiten und Vorzüge dieses jungen Mediums wissen.
]]>
NPD-Plakat in Mecklenburg-Vorpommern
Wenn Horst Ganske über die Lastwagen spricht, die über die Chausseestraße rauschen, muss man ihm genau zuhören. Denn für ein beiläufiges Gespräch ist es in seinem Hausflur zu laut, weil die Anhänger durch Löcknitz zum nahe gelegenen Grenzübergang nach Polen fahren. Ganske hat das Problem, dass nur eine Partei sich darum kümmert: Die NPD. Die setzt auf Polenfeindlichkeit.
Von Olaf Sundermeyer
Wenn Horst Ganske über die Lastwagen spricht, die über die Chausseestraße rauschen, muss man ihm genau zuhören. Denn für ein beiläufiges Gespräch ist es in seinem Hausflur zu laut. Auch jetzt scheppern die Anhänger durch Löcknitz, weiter nach Pasewalk und Neustrelitz. Über die B104 in Vorpommern, aus und nach Linken, dem nahe gelegenen Grenzübergang zu Polen.
Auch im Küchenschrank von Bürgermeister Lothar Meistring (Die Linke) scheppert das Geschirr. "Seit dem Wegfall der Grenzkontrollen im Dezember 2007 ist es besonders schlimm", sagt er. "Aber schon nach der EU-Ost erweiterung 2004 hat sich das nach und nach entwickelt." Zudem sparen sich viele Fahrer die Autobahn-Maut und weichen massenweise auf die Bundesstraßen aus. Ebenso an der B5, die von Frankfurt/Oder einmal quer durch Brandenburg und Mecklenburg bis in den Hamburger Hafen parallel zur A24 führt. So wurden alleine an der Zählstelle in Lietzow (Havelland) im Jahr nach Einführung der Maut dreimal mehr Lkw registriert als zuvor.
Horst Ganske wurde deshalb zum Wutbürger - so nennt ihn sein Bürgermeister: Ganske hat sich schon auf die rechtsextreme NPD eingelassen, die sich auf jeden Konflikt in der Grenzregion stürzt. "Die NPD ist doch die einzige Partei, die mir zuhört", sagt Ganske. Gemeinsam mit 100 Neonazis und der NPD hatte er im Dezember gegen den Lastverkehr aus Polen demonstriert.
Bürgermeister Lothar Meistring ärgert das: "Die NPD nimmt sich die Themen, die die Leute hier bewegen. Das ist: Polen raus, Poleninvasion stoppen, immer gegen die Polen." Dabei ist die grenzüberschreitende Wirtschaft lebensnotwendig für die gesamte Grenzregion. Meistring sagt, dass inzwischen kein Unternehmen in der Gegend mehr auf Geschäfte mit Polen verzichten kann. Aus dem Nachbarland kommen zudem die meisten Käufer der zahlreichen leer stehenden Häuser. Wegen der nützlichen Nachbarschaft forderte Landesverkehrsminister Volker Schlotmann (SPD) bereits, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter auszubauen.
Auch die Wirtschaftsverbände forcieren den deutsch-polnischen Handel über die B104. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Neubrandenburg wendet sich strikt gegen eine Sperrung für den Lastverkehr. 30 Gemeinden aus MV, Brandenburg und der Wojewodschaft Westpommern haben sich zuletzt zusammengeschlossen, um den strukturschwachen Wirtschaftsraum zwischen Berlin und Stettin zu entwickeln.
Einzig die NPD wendet sich dagegen, mit einer anhaltenden Polenhetze, die ihr bereits zum Einzug in den Landtag bei den vergangenen Wahlen 2006 behilflich war. Damals kam sie in Löcknitz auf fast 20 Prozent, im Landesdurchschnitt auf über sieben Prozent. Im kommenden September sind erneut Landtagswahlen. Und so hieß es schon im November in einem Arbeitspapier des Verkehrsministeriums zum "Schwerlastverkehr auf der B104": "Gefahr: Instrumentalisierung durch die NPD."
Die Landespolitik fühlt sich von der NPD getrieben, zumal die Zuständigkeit für die B104 nicht bei ihr, sondern beim Bund liegt. Am Ortseingang wurden Schilder auf Deutsch und Polnisch aufgestellt, die um Rücksichtnahme der Lkw-Fahrer bitten. Außerdem gilt nach 22 Uhr für Lkw über 7,5 Tonnen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Nur kontrolliere das niemand - behauptet Bürgermeister Meistring.
Eine weitergehende Sperrung der Straße kommt nicht infrage, denn dann "besteht die Gefahr, dass der Bund die Bundesfernstraße zur Landstraße herabstuft", so das Memo des Ministeriums, das zusätzliche Kosten für sein Land fürchtet. Das Ministerium schlug deshalb vor, auch auf der Bundesstraße eine Maut zu erheben, und delegierte das Problem so weiter an den Bund. Unterdessen gibt es für Lothar Meistring nur eine Lösung, nämlich "dass der Grenzübergang Linken für den Schwerlastverkehr geschlossen wird." Aber das ist eine Forderung der NPD.
Dieser Text erschien am 07.04.2011 in der Schweriner Volkszeitung . Mit freundlicher Genehmigung des Autors .
]]>
„Soziale Netzwerke gegen Nazis“ – drittgrößte Gruppe bei „wer-kennt-wen“
"Soziale Netzwerke gegen Nazis" als Premium-Gruppe bei wer-kennt-wen Foto: ©
Screenshot Collage
Im Oktober 2010 startete netz-gegen-nazis.de die Kampagne "Soziale Netzwerke gegen Nazis" mit dem Ziel, gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Web 2.0 aktiv zu werden. Im sozialen Netzwerk "wer-kennt-wen" hat die Kampagne großen Erfolg: Mit bald 400.000 Mitgliedern ist "Soziale Netzwerke gegen Nazis" dort die drittgrößte Gruppe.
Von Christine Lang
Am Anfang der Kampagne "Soziale Netzwerke gegen Nazis" stand eine Aktionswoche vom 11. bis 17. Oktober 2010, die auf das Problem der Verbreitung rechtsextremer und rassistischer Inhalte in sozialen Netzwerken aufmerksam machen sollte. Zunächst schlossen sich 20 soziale Netzwerke der Kampagne an, 43 weitere kamen im Laufe der Zeit dazu. Allein die Aktionswoche war sehr erfolgreich. 345.000 User verschiedener sozialer Netzwerke nahmen daran teil und traten den entsprechenden Gruppen bei, außerdem erhielt die Kampagne tausende von begeisterten Kommentaren und stieß auf ein großes Medienecho. Doch wie geht es seitdem weiter?
Ein tolles Beispiel für ein längerfristiges Engagement gegen Rechtsextremismus in sozialen Netzwerken ist die Internetplattform "wer-kennt-wen". Bereits während der Aktionswoche im Oktober 2010 wurden knapp 200.000 User von "wer-kennt-wen" Mitglieder der Gruppe "Soziale Netzwerke gegen Nazis" - und waren dabei sofort sehr diskussionsfreudig: Nach wenigen Tagen gab es schon 17 Diskussionsforen, so genannte "Threads", in denen Gruppenmitglieder Beiträge im Zusammenhang mit Rechtsextremismus und Rassismus posteten. Bald boten mehrere User freiwillig an, als Administratoren die Diskussionsforen zu betreuen und bei Verstößen gegen die Gruppenregeln vorzugehen. "Dankenswerter Weise" betont die Initiatorin der Kampagne, Simone Rafael, die auch nicht mit einem so schnellen Anwachsen der Gruppe gerechnet hatte.
Inzwischen hat die Zahl der Gruppenmitglieder fast die 400.000er Marke erreicht. Damit ist "Soziale Netzwerke gegen Nazis" die drittgrößte Gruppe von "wer-kennt-wen". Derzeit gibt es um die 40 offene Diskussionsforen zu verschiedenerlei Themen: von Thilo Sarrazin über Neonazis im Fußball und Musik von und gegen Rechts bis hin zu aktuellen Ereignissen wie dem Neonazi-Aufmarsch in Dresden. Regelmäßig veranstalten die Administratoren Umfragen unter den Gruppenmitgliedern, um neue Themen für die Diskussionsforen auszuwählen.
Laut eigenen Nachforschungen des Administratorenteams ist "Soziale Netzwerke gegen Nazis" nicht nur eine der größten, sondern auch eine vergleichsweise sehr aktive Gruppe bei "wer-kennt-wen". Bis zu 500 Mitglieder beteiligten sich zum Teil fast täglich, zum Teil themenabhängig an den Diskussionen, dazu kämen mehrere tausend Mitglieder, die immer mal wieder in die Foren schauten, schätzt einer der Administratoren. Allerdings seien 95% der Gruppenmitglieder passiv und wohl vor allem der Gruppe beigetreten, weil sie damit den Button "Soziale Netzwerke gegen Nazis" für ihr Profilfoto bekamen und so ihr persönliches Statement zum Thema öffentlich machen konnten.
Doch auch auf Menschen mit rechten Einstellungen scheint die Gruppe "Soziale Netzwerke gegen Nazis" anziehend zu sein. Immer wieder werden Beiträge mit rechtsextremem Inhalt gepostet oder Mitglieder verlinken zu einschlägigen Internetseiten und Youtube-Clips. In solchen Fällen verfolgen die Administratoren eine klare Linie. Die Beiträge werden gelöscht und die User aus der Gruppe ausgeschlossen. Offensichtliche Neonazis werden auch an "wer-kennt-wen" weitergemeldet - wenn sie durch ihre Profile oder Beiträge auf sich aufmerksam machen, denn ausschließen, dass Neonazis als passive und unscheinbare Gruppenmitglieder Diskussionen mitverfolgen, lässt sich leider nicht. "Wir verstehen uns nicht als Gruppe, die mit Nazis spricht, sondern die über Nazis spricht", fasst ein Mitglied des Administratorenteams die Gruppenregeln zusammen.
Anders sieht es aus mit Usern, die rechtspopulistische, islam- oder integrationsfeindliche Klischees vertreten. Insbesondere Thilo Sarrazins Buch ist in den Foren stark debattiert. Die Administratoren schalten sich in diese Diskussionen auch selbst ein, recherchieren Informationen und antworten mit Gegenargumenten auf Beiträge, die rassistischen Thesen zustimmen.
In den Diskussionsforen bekommt man einen Eindruck von dem Engagement, das die ehrenamtlichen Administratoren in die Betreuung der Gruppe stecken. Neben der Moderation der Diskussionsforen stellen sie zusätzliche Informationen und Links zu den entsprechenden Themen für die anderen User zur Verfügung. Dabei sehen sie sich in einer Art Mittlerposition: "Viele Mitglieder, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren wollen, wissen nicht unbedingt, woher man Infos bekommt, und diese Infos können wir weitergeben."
Der Erfolg der Kampagne "Soziale Netzwerke gegen Nazis" bei "wer-kennt-wen" zeigt sich daher nicht nur in der reinen Größe der Gruppe. Die Arbeit eines engagierten Administratorenteams ist mindestens genauso wichtig, um über Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in sozialen Netzwerken aufzuklären und sich aktiv dagegen einzusetzen.
Allein in wer kennt wen (wkw) sind bis Heute Nachmittag über 181.000 Mitglieder der Gruppe beigetreten.
Im Gespräch mit Bernd Merling erläutert Simone Rafael Einzelheiten zu der Aktionswoche, zu dem Projekt und wie es weiter gehen soll.
]]>]]>